Transformation in eine agile Organisation
Während viele noch darüber reden, eine agile Organisation zu entwickeln, haben wir es bereits getan!
Zusammen mit den Kollegen Dr. Andreas Romberg, Dr. Christopher Brüggeman und Matthias Weber bin ich sehr stolz darauf, dass es uns gelungen ist, eine traditionelle F&E-Abteilung eines großen Automobilherstellers in eine selbstorganisierte, agile Teamorganisation zu verwandeln.

John P. Kotter: Dual operating system
Wir haben Kotters Idee aufgegriffen, ein duales Betriebssystem zu schaffen. Die alte Linienhierarchie wurde beibehalten, um der Abteilung die Stabilität und Konnektivität zu geben, die sie für die Interaktion mit dem Rest des Unternehmens benötigt.
Die neu eingeführten, stark dezentralisierten Wertstromteams treffen jedoch schnelle Entscheidungen gegenüber ihren externen Kunden. Sie sind mit interdisziplinären Kompetenzen besetzt, um schnell handeln zu können. Unterstützt werden diese Teams durch selbstorganisierte Entwicklungsteams, die mit tiefergehenden Analyse- und Entwicklungsleistungen unterstützen.
Agile Kreisorganisation
Als Grundmodell für die Neukonzeption der agilen Organisation haben wir auf das Konzept der agilen Kreisorganisation nach Bernd Oestereich und Claudia Schröder zurückgegriffen. Quelle „Das kollegial geführte Unternehmen“ (Vahlen)

Kernelemente der neuen agilen Organisation
- klar definierte Werteströme mit identifizierten Kunden
- selbstorganisierte, funktions- und bereichsübergreifenden Wertstromteams
- die Rolle des „Repräsentanten“ löst die Rolle des „Teamleiters“ ab
- „Repräsentanten“ sind Mitarbeiter von Fachteams, die als Teilnehmer von Regelkommunikation in Projektteams / Wertstromteams direkt entscheiden
- selbstorganisierte, selbstverwaltete Entwicklungsteams
- Koordinationskreise zur Lösung von Ziel- oder Prioritätskonflikten
- Kreise, die organisatorische Aufgaben fokussieren (z.B. Strategie, Budget, HR, CEO, Change Management)
- Kreise, die sich auf die Qualifizierung konzentrieren (z. B. Werkzeugentwicklung, Standards, Normen)
- ein kohärenter Workflow-Prozess von außerhalb (Kunde) bis innerhalb (Entwicklungsteams) der agilen Organisation
- klar definierte Regeln und Prinzipien zur Unterstützung der Steuerung der agilen Organisation
- die Trennung der disziplinarischen und fachlichen Führungsfunktion
- die Schaffung von Rollen anstelle von Funktionen – der Einsatz neuer Entscheidungswerkzeuge wie Konsentmethode oder Einwandintegration
- die Möglichkeit, mehrere Teammitgliedschaften und Rollen zu haben
- die schnelle Bildung und Auflösung von Entwicklungsteams entsprechend den Kundenbedürfnissen, ohne langwierige Reorganisations- und Besetzungsverfahren
- transparentes Leistungsmanagement für jeden Kreis durch Shopfloor Management Boards
- Nutzung der Linienhierarchie für die Mitarbeiterführung (z. B. Disziplinarmaßnahmen, Personalentwicklung, Coaching, Prozess der Festlegung von Selbstzielen)
- Förderung und Beförderung von Managern aus der alten Hierarchie zu Coaches in Bezug auf Führung und Fachwissen über ihre eigenen Kompetenzen
Diese Organisation ist zwar nicht frei von Hierarchien, bietet dem Kunden aber ein Höchstmaß an Flexibilität, um sich an externe Veränderungen in der Entwicklungsnachfrage anzupassen.

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Lessons learned
Rückblickend auf den Beratungsprozess würde ich die folgenden Interventionen als relevant für den Erfolg des Projekts bezeichnen:
Von Shop Floor Management zur agilen organisation
Das Projekt begann als Implementierungsprojekt für Shop Floor Management. Während des Implementierungsprozesses wurde deutlich, dass der Kunde alle Anzeichen von „Not invented here“-Symptomen zeigte und Einzelpersonen deutlich machten, dass die vorgeschlagene Standardimplementierung in ihrem Arbeitsumfeld nicht funktionieren würde.
Wir haben mit dem Top-Management darüber nachgedacht und beschlossen, nicht gegen diesen Impuls anzukämpfen, sondern die Energie zu nutzen, um die Shopfloor-Boards an die Bedürfnisse der einzelnen Teams anzupassen. So ermutigten wir die Teams, ihre Ideen zur Umsetzung der Shopfloor-Boards einzubringen, und förderten die Selbstorganisation innerhalb der Teams.

Reflexion über Organisationsformen
Parallel dazu arbeiteten wir mit dem erweiterten Managementteam an der Führungskultur und diskutierten intensiv über die Unterschiede zwischen drei verschiedenen Organisationsformen: Linienhierarchie, Wertstromorganisation und agile Organisation. Das Führungsteam kam zu dem Schluss, dass die F&E-Organisation über die bloße Umsetzung des Shopfloor-Managements hinaus entwickelt werden muss, um den künftigen Anforderungen der Kunden aufgrund der VUCA-Welt, die sie an ihren Schnittstellen vorfinden, gerecht zu werden.
Entscheidung für eine Mischform
Daher traf das Top-Management die strategische Entscheidung, eine Organisation zu entwickeln, die die beste Mischung aus Wertstrom (z. B. unterstützende Führung, Wertstromorientierung, Fokus auf kontinuierliche Verbesserung, Mitarbeiterführung) und agiler Organisation (z. B. dezentrale Netzwerkorganisation, Selbstorganisation, Selbstmanagement, mehrere Teammitglieder, die eine optimale Kapazitätsanpassung ermöglichen) darstellen würde.
Kernwertströme definieren
In einem ersten Schritt wurde ein Projektteam gebildet, um die Kernwertströme zu definieren und die Schnittstellen nach außen zu klären. Es wurden vier große Wertstrombereiche ermittelt. Die Arbeitsergebnisse wurden geteilt und halfen der gesamten Abteilung, sich neu auf die Erfüllung der Kundenbedürfnisse zu konzentrieren, anstatt bürokratische interne Prozesse zu erfüllen.
Re-Design der Organisation
Wir führten eine Reihe von Workshops durch, in denen das endgültige Betriebsmodell für die agile Organisation definiert wurde. Reinhard Nagels Konzept der Organisationsgestaltung wurde verwendet, um das neue Organisationsmodell anhand sorgfältig ausgewählter Kriterien zu testen, die es erfüllen musste.

Setting: Workshops ohne feste Agenda
Im Laufe des Projekts lernte der Kunde zunächst nur widerwillig, die Vorteile von Workshops ohne Tagesordnung zu akzeptieren, bei denen die Tagesordnung vor Ort von der Workshop-Gruppe entwickelt wurde. Da es sich um ein sehr traditionelles Produktionsunternehmen handelt, das an frei abgestimmte Tagesordnungen gewöhnt ist, dauerte es eine Weile, bis der Kunde erkannte, wie viel effektiver Workshops mit einem Thema aber ohne Tagesordnung sein können.
Haltungswandel durch Führungskräfteentwicklung
Eine Reihe von zweitägigen Führungskräfteschulungen zum Thema „Agile Organisation und agile Werkzeuge“ half einer großen Anzahl von Mitarbeitern, den Zielzustand und die neuen Werkzeuge zu verstehen, die in der agilen Organisation eingesetzt werden sollten. Mit der Zeit begeisterten sich immer mehr Mitarbeiter für das Konzept des „Going Agile“.

Durchbruch mit Großgruppenworkshops
Ein bahnbrechender Moment war sicherlich eine Reihe von groß angelegten „OpenSpace/Barcamp“-Workshops innerhalb der Abteilung. Ohne Tagesordnung schlugen die Teilnehmer ihre eigenen Workshop-Themen vor und luden ihre Kollegen zur Diskussion ein. Vom ersten Workshop an wurden ALLE Projektthemen später in Verbesserungsprojekte umgewandelt, die innerhalb der Abteilung durchgeführt wurden. Im Rahmen dieser Projekte wurden alle relevanten Themen zur Ermöglichung einer agilen Organisation angegangen, wie z.B.: Organisationsmodell, Wertströme, Governance-Regeln, angepasstes Shopfloor-Management-Konzept, Trennung der disziplinarischen und fachlichen Führungsfunktion etc.
Diese Großgruppenworkshops waren eindeutig ein Schlüsselfaktor für die Freisetzung der Energie in der Abteilung, um eine kritische Masse für den Transformationsprozess zu erreichen.

Teamentwicklung für die selbstorganisierte Wertstrom- und Entwicklungsteams
Schließlich haben wir viel Zeit und Mühe investiert, um die neu geschaffenen Wertstromteams und Entwicklungsteams bei ihrer Aufstellung zu unterstützen. Dieser Prozess ist eigentlich noch nicht abgeschlossen. Die Teams brauchen Hilfe, um von der alten Welt in die neue Welt zu wechseln, auch wenn jeder im Team die Veränderung will.
Das berühmte Sprichwort, dass Selbstorganisation oder Selbstmanagement NICHT mit Selbstüberlassung gleichzusetzen ist, hat sich als wahr erwiesen.
Veränderungen auf 4 Ebenen

Die Einführung einer Agilen Organisation bewirkt erhebliche Veränderungen im Arbeitssystem. Diese Veränderungen lassen sich gut an den Kategorien des von Weert Jacobsen-Kramer entwickelten Modells der „4 Ebenen der Veränderung“ darstellen.
1) Einzelne Mitarbeiter
Alle Projekte und Aufgaben im Arbeitssystem werden zu 100 % transparent, was die Fertigstellung und Ausführung angeht. Das führt dazu, dass die Leistung und Lieferperformance der einzelnen Mitarbeiter sichtbar wird.
Die Einführung der neuen Rolle von „Repräsentanten“ bedeutet für die einzelnen Mitarbeiter das sie mehr unabhängige Entscheidungen treffen.
Die „Repräsentanten“ sind Mitarbeiter von Fachteams, die als Teilnehmer von Regelkommunikation in Projektteams / Wertstromteams mit anderen Kollegen im Team kollaborieren. Die „Repräsentanten“ entscheiden selbstständig und direkt vor Ort in der Regelkommunikation über die Ausführung von Arbeitspaketen.
Die Einführung von funktions- und standortübergreifenden Projektteams / Wertstromteams bedeutet für die einzelnen Mitarbeiter das sie nunmehr in mehreren Teams im Arbeitssystem kollaborieren. Neben dem Heimatteam arbeiten Mitarbeiter also selbstorganisiert in verschiedenen weiteren Teams.
Es wird Mitarbeiter geben, denen diese neue Transparenz und Dynamik im Arbeitssystem nicht zusagt. Einige Mitarbeiter werden daher das System von sich aus verlassen. Bei anderen Kollegen werden sie feststellen, dass es nicht mehr „passt“. Die gute Nachricht ist, dass Sie auf Arbeitsmarkt neue Kollegen finden, die Transparenz und Dymanikim Arbeitssystem suchen und attraktiv finden.
2) Führung
Die Rolle Ihrer Führungskräfte ändert sich dahingehend, dass Sie mehr Zeit in der Coaching-Rolle verbringen. Sie übernehmen die Verantwortung ihre Mitarbeiter dahin zu entwickeln, mehr Entscheidungen zu treffen und unterstützen sie dabei, sich in der dynamischen Umgebung des Multiprojektmanagements und funktions- und standortübergreifenden Projektteams / Wertstromteams mit Leichtigkeit und Selbstvertrauen zu bewegen.
Die Tätigkeit der Führungskräfte ändert sich dahingehend, dass sie diszipliniert die 6 Aufgaben der Führung auf dem „Shopfloor/Gemba“ durchführen: 1) Durchführung der tägliche Regelkommunikation 2) Entscheidungen treffen in der täglichen Regelkommunikation 3) Durchführung von „Go & See“ 4) Problemlösung vor Ort 5) Durchführung von Prozessbestätigung 6) Fokus auf den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP).
Trotz der Schulungen, die zur Unterstützung Ihrer Führungskräfte durchgeführt werden, werden Sie feststellen, dass einige Ihrer Führungskräfte das nötige Niveau haben, um die oben genannten Aufgaben zu erfüllen, während andere Führungskräfte nicht das nötige Niveau haben.
3) Teams
Die Einführung von selbstorganisierten, selbstverwalteten funktions- und standortübergreifenden Projektteams und Entwicklungsteams geht natürlich auch, mit einer substanzielle Veränderung in den Teams einher.
Multiple Teamzugehörigkeit sowie die gestiegene Dynamik und Transparenz in der Aufgabenbearbeitung bewirkt auch einen Anstieg an Ziel- oder Prioritätskonflikten, die vormals von der Führungskraft geklärt wurden.
Die gestiegenen Anforderungen an Selbstorganisation und Selbstführung bewirkt, dass Mitarbeiter in verschiedenen Teams gleichzeitig diese Ziel- oder Prioritätskonflikte selbstständig lösen.
Weil aber Ziel- oder Prioritätskonflikte nicht immer sofort selbstständig von Mitarbeitern vor Ort gelöst werden können, braucht es die Teilnahme in erweiterten Koordinationskreisen, um diese Themen zu lösen.
4) Organisation
Angrenzende Arbeitsbereiche und Funktionen werden von der Transparenz und Dynamik im neuen Arbeitssystem beeinflusst. Von ihnen wird die aktive Teilnahme und das Treffen von Entscheidungen in der Regelkommunikationen im Shopfloor Management gefordert.
Daher sollten auch die angrenzenden Arbeitsbereichen und Funktionen über das neue Arbeitssystem und die neuen Anforderungen informiert werden.
Es gibt eine natürliche Tendenz, dass sich die Veränderungen im Arbeitssystem in der gesamten Organisation ausbreiten, weil das neue Arbeitssystem einfach effektiver ist.
Es handelt daher bei der Einführung der Agilen Organisation um einen größeren Kulturwandel im gesamten Unternehmen.
Konsequenzen für das Top Management
In der agilen Organisation führt die Erhöhung der Entscheidungsgeschwindigkeit im Arbeitssystem zu einem steigendem Bedarf nach gemeinsamer Strategieentwicklung.
Die höhere Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung führt zu einer größeren Abweichung von der ursprünglichen Strategie, was wiederum eine häufigeren, unterjährigen Abgleich der Strategie in der gesamten Organisation erforderlich macht.
In der Regel verbringt der Bereich 2 volle Workshoptage im Januar eines jeden Jahres damit die Vision zu prüfen, die jährlichen strategischen Ziele und Maßnahmen zu planen. Darüber hinaus investieren agile Organisation einen Tag pro Quartal in die Abgleich der Strategie mit der bisherigen Umsetzung nach dem Grundsatz: „Eng abgestimmt und lose gekoppelt“.
Die Erhöhung der Entscheidungsgeschwindigkeit im Arbeitssystem bewirkt auch, dass die Anzahl an Ziel- oder Prioritätskonflikte, die in das Top Management eskaliert werden, steigen kann.
Für das Top-Management bedeutet das insgesamt, dass der Bedarf für Strategieentwicklung und -Umseztung und zügige Entscheidungsfindung steigt.
Ergebnis
Bei allen Vorteilen, die eine agile Organisation für die Zusammenarbeit bietet, gibt es sie nicht umsonst. Es ist entscheidend, fortlaufend in Kooperation und Teamarbeit zu investieren.
Vergleicht man jedoch den aktuellen Zustand (rot Balken in der Grafik) mit der Vergangenheit (Blaue Balken in der Grafik), so hat sich der Aufwand absolut gelohnt.

Die Leistung der Hauptabteilung hat sich in allen Leistungsindikatoren stark verbessert, wie z.B. hinsichtlich der Kundenzufriedenheit, der Produktivität, der Liefertreue, Qualität und die Rentabilität.
Darüber hinaus gab es einen substantiellen Schub in der Motivation und das Projekt zahlte auf das wichtigste Element jedes Unternehmens ein: eine positive Unternehmenskultur!

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