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Agilität ist ein Megatrend

Es folgt ein schriftliches Interview mit Weert Jacobsen Kramer anlässlich einer Kongress Keynote im Jahr 2017.

Lieber Weert, zunächst einmal herzlichen Dank für Deinen interessanten Beitrag zum Thema Agile Organisationen, den Du anlässlich der Einweihung unserer neuen Büroräume in Hamburg gehalten hast. Der Vortrag war sehr interessant und wurde lebhaft diskutiert.

1. Was war die zentrale Aussage bzw. Botschaft Deines Vortrages?


„Meine zentrale Aussage ist, dass „Agilität“ kein Modethema, sondern ein Metatrend ist, im Zuge dessen sich agile Werkzeuge und Managementmethoden dauerhaft in Unternehmen und Organisationen etablieren werden.

Der Grund dafür ist, dass agile Methoden ihren Erfolg bereits ganz konkret am „Ort des Geschehens“ unter Beweis gestellt haben. Studien belegen z.B. eindeutig die Überlegenheit agiler Projektmanagement-Methoden gegenüber klassischen Methoden.
Diese Entwicklung ist vergleichbar mit der Etablierung von Lean Management (Toyota Produktionssystem) seit den 1990er Jahren. Lean Management hat seinen durchgreifenden Erfolg in der Produktion unter Beweis gestellt. Heute geht es nicht mehr darum, ob man Lean Management einführt, sondern eher auf welcher Stufe der Lean-Entwicklung man sich befindet.

Der gleiche Trend ist bei dem Thema Agilität zu beobachten. In 10 Jahren wird man sich nicht mehr fragen, ob man Agiles Management einführt, sondern ebenfalls auf welcher Stufe der Agilität sich das Unternehmen befindet.“

2. Wie haben die Zuhörer reagiert und worum drehte es sich in der lebhaften Debatte?

„Die Frage, ob eine Agile Organisation tatsächlich ohne Führungshierarchien auskommen kann, war ganz klar der zentrale Diskussionspunkt.

Das ist auch nicht verwunderlich, denn das ist der wesentliche Unterschied zu traditionellen Organisationen. In der agilen Organisation werden zentrale Funktionen der Führungskraft durch die agierenden Teams übernommen. Arbeitsschritte und Arbeitsprozesse werden selbstorganisiert erledigt.

Die traditionelle Führungsrolle wird in Frage gestellt, teilweise sogar vollständig abgeschafft und durch Selbstorganisation auf Basis z.B. einer Unternehmensverfassung (Holarchie/Holacracy) ersetzt. Mitarbeiter/innen können in diesem System gemäß eines bestimmten Prozesses alles entscheiden, sogar über ihr Gehalt und größere Investitionen.

Vermutlich ist dieser Gedanke für viele Zuhörer zunächst befremdlich, da sie in ihrem bisherigen Arbeitskontext hauptsächlich die traditionelle Führungshierarchie erlebt haben.“

3. Was haben Unternehmen davon, wenn sie sich agilisieren? Was ist der Mehrwert?

„Ich würde gerne zwei bedeutsame Vorteile der Agilen Organisationen herausstellen.
Einerseits ist es ja so, dass das Team zentrale Führungs- und teilweise auch Stabsfunktionen übernimmt. Das reduziert aufwendige und zeitraubende Delegations- und Berichtsstrukturen reduziert Verwaltungskosten.

Anderseits führen sich die Mitarbeiter/innen und Teams selbst und können selbstständig über die nächsten notwendigen Aktionen entscheiden. Das führt zu einer enormen Beschleunigung der Entscheidungen im Unternehmen.“

4. Evolution von Organisationsmodellen

Zum einen sprachst Du über den Metatrend der Agilisierung in Unternehmen und auf der anderen Seite darüber, dass nicht alle Unternehmen oder Organisationen Agilität benötigen. Wer braucht was, ist hier die Frage? Und wie passen diese beiden Aussagen zusammen? 

„Nun, ich bin der Meinung, dass es nicht darum geht Agilität „auf Teufel komm´ raus“ in jedem Unternehmen zu etablieren. Die Veränderung der Organisationskultur ist kein Selbstzweck und sollte einem Ziel dienen.

Wenn das Ziel einer Organisation
*     Stabilität ist, ist die traditionelle Führungshierarchie die richtige Wahl z.B. in einer Behörde).
*     Flexibilität ist, dann ist die Wertstromorganisation (z.B. Betrieb mit Lean-Production) die beste Wahl.
*     stetige Wandlungsfähigkeit unter komplexen Bedingungen ist, dann ist die Agile Organisation, z.B. für Unternehmen in der Softwareentwicklung, die beste Lösung.“

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Wie verträgt sich Wandlungsfähigkeit mit Stabilität

Nun gibt es sicherlich Organisationen oder Unternehmen, die in bestimmten Bereichen Stabilität und gleichzeitig in anderen Bereichen ein hohes Maß an Wandlungsfähigkeit benötigen. Wie bekommen Unternehmen das „unter einen Hut“?

„Das ist eine gute Frage. Am besten mache ich das an einem konkreten Beispiel deutlich. Nehmen wir ein typisches Unternehmen mit den Bereichen Produktion und Entwicklung.

In der Produktion ist es aufgrund der starken Prozessverkettung im Wertstrom oft gar nicht möglich, vollständig auf eine agile Organisation umzustellen. Hier ist eine an Lean Management Prinzipien orientierte Wertstromorganisation mit einer „umgedrehten“ Führungshierarchie – die Führungskraft dient dem Team und ultimativ dem Wertstrom – anzuraten.

Gleichzeitig ist es möglich, im Entwicklungsbereich mit agilen Methoden große Produktivitätsverbesserungen zu erzielen oder sogar die gesamte Abteilung auf Agiles Management umzustellen.

Das Bindeglied für diese „strukturelle Koppelung“ zweier sozialer Systeme, wie wir Systemiker sagen, ist die gemeinsame Führungskultur. Sie ermöglicht es, dass diese beiden unterschiedlichen Systeme nebeneinander existieren können.

Deshalb spreche ich auch von Führungskulturentwicklung und nicht von Führungskräfteentwicklung. Das sind zwei ganz unterschiedliche Themen.

Führungskulturentwicklung ist das große Thema der nächsten Jahre.“

Was sind die wichtigsten Gelingensbedingungen und was die größten Hemmnisse?

Was sollten Unternehmen beachten, wenn sie sich agilisieren wollen? Was sind die wichtigsten Gelingensbedingungen und was die größten Hemmnisse?

„Das größte Hemmnis ist die Führungshaltung der beteiligten Führungskräfte. Sie haben bisher die traditionelle Führungshierarchie gelebt und tun sich zu Beginn häufig schwer damit, eine passende agile Führungshaltung zu entwickeln. Es ist eben nicht einfach, das „alte“ Denken über Bord zu werfen.

Die wesentliche Gelingensbedingung ist, dass das Top-Management bzw. der Inhaber bereits eine agile Führungshaltung entwickelt hat, oder bereit dazu ist, sich auf den Weg zu machen.“

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Was ist aus Deiner Sicht der Hauptansatzpunkt, um Menschen vom Thema Agilisierung zu begeistern oder sie davon zu überzeugen?

„Diese Frage wird mir immer wieder gestellt: „Wie kann ich die Haltung einer Person verändern?“

Die zunächst enttäuschende Antwort auf die Frage lautet: Wir können die Haltung einer Person nicht verändern, so wie wir Menschen generell nicht verändern können. Viele Führungskräfte und selbst erfahrene Berater sind sich dieser Tatsache nicht immer vollumfänglich bewusst. Wenn es für Menschen einen Sinn ergibt, sind sie bereit, sich selbst zu verändern. Deshalb führt die agile Führungskraft über „Sinn“.

Dies vorausgesetzt, gibt es eine Möglichkeit die Haltung zu verändern, indem wir die Weltanschauung hinter der Haltung hinterfragen, bzw. eine Weltanschauung anbieten, die besser zu Agilität passt, weil sie sinnstiftend ist.
In meinen Trainings und Workshops beschäftigen wir uns regelmäßig und intensiv mit dem Thema Weltanschauung und ich stelle fest, dass Führungskräfte dafür einerseits offen und anderseits dankbar sind.

Auf der anderen Seite ist es so, dass die Unternehmen gerade jetzt agile Methoden einführen wollen. Die traditionellen Managementwerkzeuge bringen einfach nicht mehr die notwendigen Ergebnisse. Die Unternehmen heute stehen unter starkem Druck und Zugzwang, in ihren Abläufen noch schneller zu werden. Agilität bietet die entsprechende Lösung.“

8.  Wie passen aus Deiner Sicht das Thema Agilisierung und der systemische Beratungsansatz zusammen?

„Meiner Meinung nach hat es in den letzten 20 Jahren nie eine bessere Zeit für Systemdenker gegeben als gerade jetzt. Agilität ist ein absolut zentrales Thema für die systemische Beratung. Wir erleben gerade eine Revolution in der Art und Weise, wie wir über Organisationen denken. Auch die Begrifflichkeiten ändern sich: es geht um „New Work“, um „das kollegial geführte Unternehmen“ und um „Evolutionären Sinn“.

Jetzt schon sehr erfolgreich am Markt agierende Agile Unternehmen stellen die Managementparadigmen der 1980er und 1990er Jahre, das Lehrbuchwissen renommierter Management-Institute und klassischer Beratungsunternehmen in Frage.

Die Zukunft gehört dem Führungsparadigma, das dem Verständnis natürlicher, lebendiger, selbstorganisierter, autonomer und komplexer sozialer Systeme dient. Die auf der linearen Maschinenlogik basierenden „Command & Control“-Führung wird weiter an Bedeutung verlieren.

Systemische Beratung bietet prinzipiell genau das passende Denkmodell und die entsprechenden Methoden, um Unternehmen auf dem Weg in die Agilität zu unterstützen.

Allerdings heißt das auch, dass sich die systemische Beratung insbesondere hinsichtlich ihrer Methoden teilweise „agilisieren“ wird.“

9. Zum Abschluss, lieber Weert, noch eine Frage: Was kannst Du den Kunden zur Agilisierung ihrer Organisation und Unternehmen konkret anbieten?

„Der einfachste Weg in das Thema ist ein Impulsvortrag von 2 Stunden über die „Agile Organisation“.

Die nächste Möglichkeit ist ein zweitägiger Workshop mit der Geschäftsleitung, in dem wir gemeinsam tief in das Thema einsteigen und schon Ideen entwickeln, welche Aspekte der Agilen Organisation für den Kunden relevant sein könnten.

Eine weiteres Angebot ist die Einführung von Projektmanagement-Methoden im Unternehmen (z.B. SCRUM oder KANBAN Projektmanagement), da hier die Vorteile der Agilen Führungshaltung schnell sichtbar werden.“

Weert Jacobsen-Kramer, December 7th, 2017

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